Bedeutet etwas zu teilen wirklich Verlust?

Was bringt es einem, wenn man die Welt gewinnt und sich selbst verliert? In dem Theaterstück „Das Leben des Richard Gier“ wird diese Frage beleuchtet.

Im Burgtheater des Instituts für Theaterpädagogik in Lingen haben Studierende „Das Leben des Richard Gier“ vorgestellt.

Inszeniert wurde das studentische Eigenprojekt, welches die Geschichte eines Mannes erzählt, der Opfer und Täter der personifizierten Gier wird, von Lukas Lanzrath. Der Student ist im sechsten Semester und schrieb die Texte des 80-minütigen Stücks überwiegend selbst. Richard Gier wird als Sohn habgieriger Eltern geboren. Sein Einzelkind-Dasein begründet die Mutter, gespielt von Imke Allerbeck, mit den Worten: „Teilen bedeutet Verlust aus dem sich Schmerz und Streit entwickeln. Damit hat man nur Ärger.“ Geprägt durch diese Worte zerstört der junge Richard das Spielzeug anderer Kinder oder beklaut sie im Schlaf.

Bo Jake Howell spielt die Hauptfigur und stellt nicht nur dessen Kinderzeit, sondern auch die weiteren Lebensabschnitte des Richard Gier gekonnt dar. Als der arrogante Teenager Opfer eines Raubüberfalls wird, ist die Bühne grell beleuchtet. Das Zeitlupenspiel der Darsteller wirkt dramatisch und schließlich bleibt Richard einsam und nur mit Unterhose und Socken bekleidet auf der leeren Bühne zurück.

Zu einem Sinneswechsel hat der Übergriff aber nicht geführt. Im weiteren Verlauf des Stücks wird der karrierefixierte, mittlerweile sehr erfolgreiche Richard von seiner schwangeren Frau vor die Wahl gestellt: „Geld oder Liebe?“ Das Licht geht an und der Regisseur bittet um Handzeichen aus dem Publikum. Nachdem sich die Besucher eindeutig für die Liebe entschieden haben, verlässt der uneinsichtige Richard die Bühne. Seine erwachsenen Zwillinge sieht er zum ersten Mal, als sie ihm vom baldigen Tod der Mutter berichten. Die Bitte um eine finanzielle Unterstützung lehnt er herrisch ab und fasst sich dabei ans Herz. Sein korrupter Arzt, gespielt von Robert Hüttinger, prognostizierte schon zu Kindertagen einen chronischen Herzfehler. Ob Richard an dieser Krankheit stirbt oder ob er sich im hohen Alter doch noch für die Liebe entscheidet, wird nicht gezeigt. Stattdessen werfen Monologe, die zwischen den einzelnen Szenen zu sehen sind, die Frage auf: „Was bringt es dir, wenn du die Welt gewinnst, aber selbst verlierst?“ Die Zwischensequenzen sind Geschichten, Lieder oder bekannte Gleichnisse, die zeigen, dass die Gier nicht auf finanzielle Probleme, sondern auch auf Probleme im Herzen zurückzuführen ist.

Im Anschluss an das Stück hatte das Publikum die Möglichkeit, mit den Schauspielern, dem Regieassistenten sowie dem Regisseur zu sprechen.“Ich habe mich für die biografische Darstellung eines Protagonisten entschieden, um zu zeigen, dass Gier in jeder Lebenslage präsent ist“, so Lukas Lanzrath. Durch überzogene sowie ironische Momente hat er dem anspruchsvollen Stück außerdem eine gewisse Leichtigkeit verliehen.

Quelle: Lingener Tagespost, 31. Mai 2012

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